Wie so viele bin ich aufgrund der Pandemie schon längere Zeit nicht mehr in den Urlaub gefahren. Umso mehr Spaß macht es zu planen, wohin es gehen soll, wenn ich das nächste Mal nach Europa reisen kann. Ich bin gern in der Natur unterwegs – beim Wandern kommen mir immer die besten Ideen. Zumindest etwas, das ich mit meinem Lieblingskomponisten Ludwig van Beethoven gemeinsam habe! Und wenn ich dabei noch etwas europäische Geschichte erleben kann, ist es ein Bonus.
Im Westen etwas Neues
So bin habe ich den Westfront-Weg entdeckt. Dieser neue Rad- und Wanderweg folge dem ehemaligen Frontverlauf und will an den Ersten Weltkrieg erinnern. Vom belgischen Nieuwpoort bis zu Pfetterhausen in den französischen Alpen umfasst der Weg stolze 1.000km. Es ist ernüchternd sich vorzustellen, dass sich vor etwas über 100 Jahren verfeindete Heere dort vier Jahre lang aufs Blutigste bekämpft haben. Mein eigener Großvater kämpfte an der Westfront in Arras. Aus seinem Tagebuch von damals stammt diese Zeichnung. Schon lange warte ich auf eine Gelegenheit, diese Gegend einmal zu besuchen. Ich war also sehr daran interessiert, mehr über den Westfront-Weg zu erfahren.

Zwar ist der Westfront-Weg ein recht neues Projekt – der erste Wegweiser entlang der Route wurde erst vor zwei Jahren errichtet. Allerdings entstand die Idee erstaunlicher Weise bereits im zweiten Kriegsjahr. In einem Brief in die Heimat beschrieb Leutnant Alexander Douglas Gillespie seine Vision eines Friedenswegs im Niemandsland. „Wenn Frieden kommt, könnte sich unsere Regierung mit der französischen Regierung zusammentun, um einen langen Weg zwischen den Linien von den Vogesen zum Meer zu machen. (…) Dann möchte ich jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Westeuropa auf eine Pilgerreise entlang der Via Sacra schicken, damit sie von den stillen Zeugen beider Seiten lernen und erfahren, was Krieg bedeutet.“ Tragischerweise hat Gillespie den Frieden nicht mehr erlebt und erst recht nicht die Verwirklichung seiner Vision; er starb bereits im September 1915.
Der Westfront-Weg hat mich nun noch ein bißchen mehr dazu inspiriert, entlang dieser Route zu wandern. Mehr Informationen über dieses tolle Projekt gibt es auf der Website. Übrigens kann man auch noch Plaketten für die Wegweiser sponsern, da die Markierung der Route noch nicht abgeschlossen ist.

Ein geteiltes Deutschland
Man muss aber nicht gleich ein ganzes Jahrhundert zurückblicken: auch die jüngere Geschichte kann erwandert oder erradelt werden. So gibt es das „Grüne Band“, die ehemalige innerdeutsche Grenze, entlang der man Deutschland erkunden kann. 40 Jahre lang war es ein streng bewachter Todesstreifen. Heute zeichnet sich dieses vom BUND geschaffene Naturschutzprojekt durch seine Artenvielfalt aus. Es bietet Schutz für mehr als 1.200 bedrohte Tier- und Pflanzenarten.
Als Enkel ostdeutscher Flüchtlinge ist dies ein Kapitel deutscher Geschichte, das mich besonders fasziniert. Alle 1.400 km werde ich nicht auf einmal wandern können, aber wahrscheinlich würde ich in Thüringen anfangen, woher meine Großeltern stammen. Zu Zeiten der DDR hatte es auch schwedische Fluchthelfer gegeben. Auch meine Eltern haben mitgeholfen, darüber habe ich schon einmal berichtet. Auf der BUND Website gibt es mehr Informationen – und fantastische Luftaufnahmen vom Grünen Band. Auch die Sendung mit der Maus hat sich vor ein paar Jahren auf die Reise gemacht und die ehemalige Grenze besucht.
Der Eiserne Vorhang
Aber das Grüne Band führt nicht nur durch Deutschland. Schließlich fand der 2. Weltkrieg, dessen Ende wir dieses Wochenende gedenken, in ganz Europa statt. Die innerdeutsche Grenze bildete nur einen Teil des Eisernen Vorhangs, der nach Kriegsende entstand und über 40 Jahre lang Europa in Ost und West teilte. Das Grüne Band Europa erstreckt sich von Nordfinnland bis in den Balkan, über eine Länge von 12.500 km. Ein wirklich spannendes Projekt, das die Auswirkungen des 2. Weltkriegs anschaulich und zugänglicher macht.